Ansichtssachen
Koteletten braten am "Kalten Mittwoch"
Der Brauch und seine Geschichte"Koteletten-Braten" am einstigen
gesetzlichen Feiertag "Buß- und Bettag", am sogenannten "Kalten Mittwoch",
hat in der Hochwaldregion eine
lange Tradition. Sie geht wohl auf die Holzkohleproduktion
für die Mettlacher Keramikindustrie zurück. Damals
bewachten Köhler wochenlang die in den
Wäldern angelegten Meiler und garten sich
in der Glut ihr Essen. Solche Meiler befanden sich auch im Bereich des Hargarter "Hahn", ein Waldgebiet, das 1902 von der Gemeinde Hargarten an die Dillinger Hütte verkauft wurde. Hargarten baute von dem Erlös die erste öffentliche Wasserleitung im Dorf. Die Stellen, an denen solche Meiler betrieben wurden, konnte man bis vor wenigen Jahren noch erkennen. Der "Kalte
Mittwoch" wiederum erinnert an den äußert
strengen Winter 1709, in dem viele Waldtiere
erfroren und die Saar komplett zugefroren war.
Ihm folgte zudem eine Dürreperiode, während
der viele Menschen verhungerten. Die Kirche
führte daraufhin am "Kalten Mittwoch"
eine Bannprozession durch, um dafür zu
beten, dass solche Naturkatastrophen künftig
nicht mehr eintreten. Von 1934 bis 1994 war der "Kalte Mittwoch" in ganz Deutschland Feiertag. Er wurde am Mittwoch vor dem 23. November begangen. Viele, vor allem junge Nordsaarländerinnen und -saarländer zogen mit dem "Ziehwähnchen" in den Wald, um in nasses Zeitungspapier eingewickelte Koteletten in der Glut eines selbst entfachten Feuers zu braten. Der dabei entstandene Durst wurde mit ausreichend vorhandenen Getränken gelöscht, das Feuer nach oftmals vielen Stunden dann mit Wasser oder Walderde. Nach der Abschaffung des gesetzlichen Feiertags, geriet auch dieser Brauch mehr und mehr in Vergessenheit.
"Wiederbelebung" ab 2009
Seit 2009 lädt der Heimat- und Kulturverein Hargarten wieder zum "Koteletten-Braten" ein - mangels Feiertag in der Regel an dem auf den "Kalten Mittwoch" folgenden Samstag. Die erste Aktion fand an der Hargarter Wanderhütte statt. Erfreulicherweise fanden sich von Mittag bis zum späten Abend recht viele Besucher ein, ließen sich die hervorragend angefertigten Hargarter Pfannen-Koteletts mit Bratkartoffeln und den "üblichen" Getränken schmecken. Auch das Wetter spielte mit und erlaubte bei milden Temperaturen einen längeren Aufenthalt im Freien. Ein heimisches Lagerfeuer ermöglichte es, auch am Abend noch in der Gemeinschaft zu feiern, zu plaudern und sich zu wärmen.
Nach der erfolgreichen Premiere veranstaltete der Heimat- und Kulturverein Hargarten am Samstag, dem 20. November 2010, ein erneutes Koteletten-Essen. Die Veranstaltung fand diesmal aber auf dem Dorfplatz statt, was zur Folge hatte, dass noch mehr Besucher aus nah und fern kamen. Das bewährte Braten-Team schaffte es auch beim zweiten Mal, alle vorbereiteten und herzhaft schmeckenden „Hargarter-Pfannen-Koteletts“ unseres Vereinsmetzgers Wempi mit Bratkartoffeln an die Besucher zu vertreiben. Die Hargarter Dorfjugend betätigte sich als Dorfschenk und auch die „Hargarter Schnapskiste“ unseres Vereinsmitgliedes Gerd Wilbois fand viel Zuspruch. Auch 2010 war der Wettergott den Brauchtumsschützern wohl gesonnen, so dass das Fest wieder als gelungen angesehen werden konnte.
2013 war das Wetter relativ kühl und windig. Das hielt die zahlreichen Besucher aber nicht ab - vor allem wohl auch deshalb, weil das "Koteletten-Essen" erstmals in der neuen und warmen "Flachs-Stube" in der Weidentalhalle stattfand. Hier konnten sie gemütlich beisammen sein und die begehrten Koteletts nebst köstlichen Bratkartoffeln und einer Vielzahl von Getränken genießen.
Zwischenzeitlich war die Brat-Aktion im November schon fester Bestandteil des Terminkalenders vieler Hargarter geworden. Die routinierte und engagierte "Koteletten-Crew" des Heimat- und Kulturvereins versprach ein verläßliches und schmackhaftes Angebot - auch 2014. Wen wundert's, dass das sonnige und ungewöhnlich milde Wetter Besucher aus nah und fern in Scharen zur Flachsstube trieb. In zwei riesengroßen Pfannen
wurden die Koteletten und die
Bratkartoffeln liebevoll zubereitet und den
Gästen vor und in der Flachsstube angeboten.
Klar, dass auch die Getränke
sowie Kaffee nebst Herbstkuchen auf regen Zuspruch stießen.
2015 wurde die Nachfrage so groß, dass die Flachsstube die vielen Gäste fast nicht fassen konnte. Interessanterweise schien gerade das "Schmuddelwetter" für weiteren Erfolg zu sorgen. Die üblichen Samstagsarbeiten rund um Haus und Auto mussten ausfallen, Regen und sogar erste Schneefälle verbannten die Menschen in ihre Wohnstuben...oder lockten sie in die Flachsstube! Und so fanden die traditionellen Koteletten und knusprigen Bratkartoffeln, die die eingespielten Teams in riesengroßen Pfannen "zauberten", reissenden Absatz. Neben den begehrten "Kaltgetränken" hatte der Heimat- und Kulturverein auch für Kaffee und selbstgebackenen "Herbstkuchen" gesorgt (Dank an die Kuchenbäckerinnen für ihre tollen Angebote!).
Zwei Jahre später mussten Besucher gar auf freie Sitzplätze warten. Dafür warteten 2017 auf die Gäste nicht nur die obligatorischen Koteletten mit Bratkartoffeln,Getränke und Kuchen sondern auch ein gemütliches Beisammensein. Zur Überraschung aller beehrte die erste Hargarter Fastnachtsprinzessin Wilma I. (Käufer) die hungriger Besucherschar, die beim Fastnachtsumzug 1949 dabei war und eigens aus ihrem Wohnort Ludweiler/Warndt in den früheren Heimatort Hargarten gekommen war. Mit 87 Jahren zeigte sie sich immer noch voller Elan. Beim Kotelettenessen kam es zur Plauderstunde zwischen "Hoheiten": Wilma I. traf den amtierenden Hargarter Fastnachtsprinzen Stefan I. (Jakob) von den „Flachsen“ und konnte sich mit ihm über die Fastnacht von früher und heute austauschen.
Etwas unspektakulärer, aber ebenso genussvoll verlief das Koteletten-Essen 2018:
Bei gutem Herbstwetter - nicht zu kalt und ohne
Regen - setzte der Heimat- und Kulturverein
Hargarten die Tradition des Koteletten-Bratens
am Samstag nach dem „Kalten Mittwoch“
(23.11.2019) zum 10. Male fort. Schon zur Mittagszeit
war in der Flachsstube kein Platz mehr zu bekommen.
Die Helfer des Heimat- und Kulturvereins mussten
noch schnell die halbe Weidentalhalle mit Tischen
und Stühlen herrichten, um den Andrang
der Besucher aus nah und fern zu bewältigen.
Diese ließen sich Wembi’s (Wilhelm
Augustin) Koteletten und Kartoffeln, die die
versierten Köche vor der Flachsstube zu
einem köstlichen Mahl zubereitet hatten,
schmecken. Nach dem traditionellen Kotletten-Essen
wartete noch Kaffee und selbstgebackener Kuchen
auf die Besucher. Auch durstige Kehlen wurden
bis zum frühen Abend von fleißigen
Helfern hinter der Theke verwöhnt.
Besondere Gäste aus der Nachbarschaft
an diesem Nachmittag waren die Mookenbacher
Wandergruppe und die Wandergruppe der Altersabteilung
der Feuerwehr aus Reimsbach, die jedes Jahr
traditionell am Kotelettenbraten teilnehmen.
Der Heimat- und Kulturvereins Hargartenen
dankte allen ehrenamtlichen Helfern, die
bei der Essenszubereitung, im Service
und nicht zuletzt beim Kuchenbacken geholfen
haben. Ohne sie könnte der alte Brauch
aus früherer Zeiten nicht mehr stattfinden.
Für das folgende Jahr 2020 rechnete
der Heimat- und Kulturverein mit weiter
steigenden Besucherzahlen und nochmals
steigendem Platzbedarf - doch dann kam Corona...
Texte: H.Dewes & H. Lubitz Fotos: H. Lubitz
Nach zweijähriger Zwangspause konnte 2022 endlich wieder ein Koteletten-Essen in Hargarten stattfinden. Es war das elfte. DIe Nachfrage war an diesem Samstag, 19. November, riesengroß. Um 11 Uhr gings los: Neben der Flachsstube hatte das Grillteam zwei große Stahlpfannen aufgebaut, in denen die Koteletten nebst Zwiebeln bzw. die „Broatkrumpern“ vor sich hin schmorten. Aber nicht sehr lange. Es drängten sich soviele Besucher um die Grillstelle, dass der Fleischvorrat bereits kurz nach 13 Uhr zu Ende ging: 130 Portionen waren bis dahin über Teller in hungrige Besuchermägen gewandert. Das Bewirtungsteam musste für die Selbstversorgung beim Vereinsmetzger Wempi gar einen „Nachschlag“ bestellen.
Ansonsten bot das Essen in der stark besuchten Flachsstube auch die Gelegenheit, alte Bekanntschaften aufzufrischen und die neuesten Ereignisse in und um Hargarten zu diskutieren. Bleibt noch anzumerken, dass auch das Buffet mit selbstgebackenem Kuchen regen Zuspruch fand und die Theke nicht nur aus Platzmangel zum beliebten Stelldichein-Ort wurde, an dem nicht alle in der ersten Reihe Platz finden konnten.
Fotos: R.Schomers