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Ansichtssachen

Die Grenze von 1919 bis 1935

Über Jahrhunderte bestimmte die geographische Lage das Leben in Hargarten. Die zahlreichen Grenzziehungen und -änderungen zwischen Königreichen, Kurfürstentümern, Staaten und auch Dörfern bescherte den Menschen wechselhafte Zugehörigkeiten und wechselnde Ortsgrenzen. Für den Heimat- und Kulturverein sind "Grenzgeschichten" immer wieder Anlass für Recherchen, Restaurierungen, Aktionen und Feste gewesen.

Zeitungsartikel von 2010

Hargarten.
Vor 75 Jahren, im Januar 1935, fielen die Zollschranken zwischen dem Saargebiet und dem Deutschen Reich, so ebenfalls in Hargarten. Aber auch nach so langer Zeit sind noch die Erinnerungen daran wach und sollen auch weiterhin wach gehalten werden, wie der zweite Vorsitzende des Heimat- und Kulturvereins, Herbert Dewes, erklärt und auf Buchveröffentlichungen von Volkmar Schommer und anderen sowie Berichte noch lebender Bürger als Zeitzeugen verweist. So bekamen die Saarländer die Folge des verlorenen ersten Weltkriegs besonders nachhaltig zu spüren. Zwischen dem Waffenstillstand und dem Friedensvertrag zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich am 28. Juni 1919 war für die Bevölkerung eine unruhige Zeit, da man nicht den Ausgang der Friedensverhandlungen kannte. Mit dem Friedensvertrag wurde das Schicksal des Saarbeckens für die nächsten 15 Jahre besiegelt. Näheres über Hintergründe und Fakten dieser Zeit sollen nach den Worten von Dewes den Historikern und Geschichtsforschern überlassen bleiben. Seine Aufmerksamkeit gehört den Geschehnissen um seinen Heimatort Hargarten. Auch das obere Haustadter Tal war von der neuen Grenzlage betroffen. Während Hargarten und Reimsbach zum Saargebiet gehörten, waren der heutige Gemeindebezirk Oppen und der zu Losheim gehörende Gemeindebezirk Rissenthal beim Deutschen Reich geblieben. Hargarten wurde nach 120 Jahren Zugehörigkeit zu Preußen wieder Grenzort gegenüber Rissenthal und Rimlingen. Anfang 1920 kamen französische Zollbeamte nach Hargarten und Reimsbach. Sie wurden seinerzeit in Privatquartieren untergebracht bis die Zollhäuser fertig waren. In Hargarten wurde ein Teil der Lehrerwohnung in der alten Schule in ein Zollbüro umgewandelt und ebenso dort, als Grenzort zum Reich wie man damals sagte, im Jahre 1924 mit dem Bau von zwei aneinander gereihten Zollhäusern mit insgesamt vier Wohnungen und einem kleinen Bürogebäude begonnen. Das neue Zollhaus wurde 1925 bezogen. Die Wasserleitung, die in Hargarten nur bis ins Mitteldorf führte, wurde eigens für die Wasserversorgung des Zollhauses bis ins Unterdorf weitergebaut, wovon auch die Wohnhäuser „Auf Schwierz“ profitierten, die bis dahin ihren Wasserbedarf aus Brunnen und Quellen decken mußten. Hargarten war Zollstation gegenüber Rissenthal, allerdings  nur für den kleinen Grenzverkehr. Während dieser Zeit blühte das Schmuggelgeschäft. Einige Bürger lebten sogar vom Schmuggeln, da sie in dieser wirtschaftlich schweren Zeit erwerbslos waren. Im „Reich“ hatte man genügend Lebensmittel, im Saargebiet mangelte es daran, dafür gab es aber Genussmittel, Kaffee, Tabak, Zigaretten, Seidenstrümpfe und Süßigkeiten. Im kleinen Grenzverkehr war aber nur die Mitnahme von zwei Kilo Lebensmitteln ins Saargebiet erlaubt, so dass es oft zu scharfen Kontrollen kam.

Zeitzeugen berichteten im Jahr 2010 anläßlich des "Zöllnerfestes"

Noch heute wird manche Schmuggelgeschichte erzählt. Erika Wagner geborene Göttert (87 Jahre) wohnt noch immer in ihrem Geburtshaus, wo sich in unmittelbarer Nähe das französische Zollhaus befand. Vor dessen Bezug hatte eine französische Zöllnerfamilie aus Sedan mit zwei Kindern in ihrem Haus gewohnt. „Der kleine Max war in unsere Familie integriert. Er saß bei uns am Mittagstisch und trieb mit meinem Bruder Josef so manchen Schabernak“, erzählt sie. Als junge Mädchen sei man einem professionellen Schmuggler aus Hargarten „behilflich“ gewesen, bis ihre Mutter dies untersagt habe. Sie erinnert sich noch an eine Schmuggelgeschichte, als ihr Onkel aus Zwalbach ein Ferkel in einem Handwagen bis zur Grenze auf dem Hargarter Bann brachte: „Dort wartete bereits meine Mutter. Sie übernahm das Ferkel mit dem Handwagen, deckte es mit Gras zu und brachte es nach Hause.“ Auch die 84jähirge Anna Schuler geborene Vetter, die heute bei ihrer Tochter in Illingen wohnt, kann sich noch gut an diese Zeit erinnern. „Mädchen und Frauen wurden eigens Taschen auf der Innenseite der Kleidung zum Schmuggeln von Waren eingenäht, da keine Zöllnerinnen vor Ort waren, um eine Leibesvisitation vorzunehmen“, berichtet sie. Mathilde Dewes geborene Schuler (91 Jahre alt) weiß noch, dass die Bauern Lebensmittel, wie zum Beispiel Kartoffeln, die sie nach Rissenthal verkaufen oder liefern wollten, mit dem Fuhrwerk über die Zollstation in Reimsbach fahren mußten, um dann weiter über Oppen und Wahlen nach Rissenthal zu gelangen. „Um auf ihre auf Rissenthaler Bann gelegenen Acker- und Wiesengrundstücke zu gelangen, konnten die Hargarter Bauern allerdings direkt über die Grenze fahren“, erinnert sie sich, ebenso an Unterstellhäuschen mit Kontrollen französischer Zöllner am Ausgang des Stederwaldes und gegenüber dem Kalkofen am Merziger Weg. Josef Rein (82) weiß noch zu berichten, dass zum Schmuggeln auch kleine Flöße mit Schmuggelware in Rissenthal beladen wurden, die man dann auf dem Hahnenbach Richtung Hargarten treiben ließ. Übereinstimmend sagen die Zeitzeugen, dass zwischen der Hargarter Bevölkerung und den französischen Zöllnern ein gutes Verhältnis bestand, das durch die jahrelangen Kontakte gewachsen war. Zollhaus2021
Wenige Tage nach der Saarabstimmung am 13. Januar 1935, in der die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung für den Anschluß an das Deutsche Reich stimmte, wurden die Zollgrenzen aufgehoben. Die vorhandenen Zollhäuser wurden an Privatpersonen verkauft oder sonst genutzt.

Heimat- und Kulturverein feiert „Zöllnerfest“
In Erinnerung an die Aufhebung der Zollgrenze vor 75 Jahren feierte der Heimat- und Kulturverein Hargarten am Sonntag, 6. Juni 2010 gegenüber dem ehemaligen Zollhaus (Ecke Hargarter Straße/Rissenthaler Straße) ein Zöllnerfest mit französischem Flair. Wie in Hargarten schon Tradition, ist das Fest mit einem Spektakel mit Schlagbaum, Zöllnerhäuschen, Zöllnern und Schmugglern zu einem unterhaltsamen Erlebnis geworden.
Text: nb

 

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